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IHK Trier


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01.05.2016

Leidenschaft weckt Gründergeist


Dieser Text ist vom 01.05.2016 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Ausgefallene Ideen liefern Selbstständigen eine ideale Erfolgsgrundlage

  Die Gründungsbilanz in der Region Trier war 2015 zum ersten Mal seit Jahren wieder positiv. Fast 4000 Gewerbe wurden neu angemeldet. Wer sich auf dem Markt durchsetzen will, muss hartnäckig, begabt und kreativ sein – und für seine Idee brennen. Auch alternative Finanzierungsmodelle kommen immer häufiger ins Spiel.  

Während Sebastian Würth und Stephanie Lampe noch die Sägespäne um die Ohren fliegen, backen Sara Weichel und Rudolf Pull im Akkord Kommunionstorten, und Steven Megerle füttert mit Timo Schweiger ihre Online-Plattform für Videospiele. Drei Duos, die mit ganz unterschiedlichen Ideen Bewegung in den Gründermarkt der Region bringen. Fernab des Mainstreams liefern sie beste Beispiele dafür, was es braucht, um berufliche Träume wahr werden zu lassen.

Steven Megerle träumte zum Beispiel schon lange: von einem eigenen Online-Shop, der Informationen und Bewertungen zu Videospielen bündelt. Er selbst nennt sich ein „Kellerkind“, ein Autodidakt, der schon im Alter von neun Jahren am PC saß und im frühen Teenageralter erste Designs entwarf. Er absolvierte eine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Einzelhandel, wurde zum Marketing-Quereinsteiger und lernte in seinem ehemaligen Betrieb Timo Schweiger kennen, damals Key Account Manager.

Gemeinsam entwickelten sie die Idee, einen Online-Shop für Gamer wie eine Art Homepage mit allen Informationen zum Thema Gaming und zu aktuellen Videospielen zu gestalten. So können selbst Eltern dort erfahren, ob das jeweilige Produkt für ihr Kind geeignet ist. Jeden Tag nach Feierabend tüftelten sie weiter, bis in die Nacht. Wahr wurde der Traum von GameSell.de aber erst in diesem Jahr. Technische Probleme zögerten das Projekt immer wieder hinaus, weil sich erst sehr spät ein guter, zuverlässiger Schnittstellen-Programmierer fand. „Hier hatten wir wirklich viel Pech“, erzählt der 31-Jährige – was auch die Kosten nach oben trieb.  

Credo: Perfektionismus

In der Zwischenzeit startete Megerle an anderer Stelle durch: Er gründete 2010 die Agentur für Webdesign „new media labs“ in Wittlich, in die zwei Jahre später auch Schweiger in Vollzeit einstieg. In der ersten Zeit hieß es Klinken putzen, doch die Mundpropaganda brachte ihm schnell weitere Kunden, deren Internetseiten er gestaltete. Vom Büro im Elternhaus zog er in die Friedrichstraße, 2013 dann nach Wengerohr.
 
Sein Credo war von Beginn an der Perfektionismus. „Ich wusste immer, dass ich in dieser Sache verdammt gut bin“, sagt der 31-Jährige – und das ganz ohne Arroganz, schließlich war er stets streng mit sich selbst. In der Vergangenheit hatte er zwar mit dem Gedanken an ein Studium gespielt, doch der Lehrplan enthielt nichts, das für ihn neu gewesen wäre. „Ich konnte damals schon mehr als der Studienplan hergab“, erzählt er.
      
Inzwischen ist die Agentur für Medien- und Webdesign, Kommunikation, PR & Marketing auf dem Weg zur GmbH. Megerle sucht weitere Verstärkung für sein – übrigens auch sozial sehr engagiertes – Fünf-Mann-Team. So ist new media labs mehr zu seinem Baby geworden als die Online-Plattform. Dennoch ist er natürlich stolz, dass GameSell.de endlich das Licht der Welt erblickt hat, nun eben als eine Marke von new media labs. Wegen der Erfahrungen aus der Vergangenheit haben Megerle und Schweiger den Shop am Ende von Grund auf selbst entwickelt und hochgezogen. Die Idee, mehr als nur Basisinfos zu Spielen zu liefern, ist zwar inzwischen nicht mehr neu, doch sie wollen es eben besser machen als andere, mit Screenshots, Videos, einem eigenen YouTube-Channel, Blogs, Zusammenfassungen von Fachmagazin-Berichten und vor allem auch ehrlicher Kritik. Damit der Käufer genau weiß, was ihn erwartet. „Wir wollten schon immer das anbieten, was wir uns selbst als Gamer wünschen. Und ich liebe es einfach, Dinge zu erschaffen.“

Zahl der neuen Betriebe steigt

Mit diesem Ehrgeiz sind die beiden in bester Gesellschaft. 2015 wurden in der Region Trier zum ersten Mal seit 2010 wieder mehr Gewerbe an- als abgemeldet. Das belegt der neue Gründerreport 2016 der Starterzentren Rheinland-Pfalz, der im Mai erscheint und auf www.ihk-trier.de zu finden sein wird. Das Plus lag demnach im Saldo bei 238 Betrieben. Die Zahl der Neuanmeldungen stieg um drei Prozent auf knapp 4000, die der Abmeldungen sank um neun Prozent.
 
Die meisten Betriebsgründungen gab es im Handel und Gastgewerbe (35 Prozent) sowie dem produzierenden Gewerbe (28 Prozent). An dritter Stelle stehen mit 18 Prozent das Grundstücks- und Wohnwesen sowie wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Dienstleistungen.
 
Die Gründungsintensität ist im Vergleich zu 2014 in allen Landkreisen der Region gestiegen. Im Schnitt wurden im vorigen Jahr 13,22 Betriebe pro 10 000 Einwohner gegründet (2014: 10,1). Am höchsten war dieser Wert mit 18,4 in der Vulkaneifel, gefolgt von der Stadt Trier (14,4) und dem Eifelkreis Bitburg-Prüm (13,1). Kevin Gläser, Existenzgründungsberater der IHK Trier, berichtet vor allem von abhängig Beschäftigten, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen – häufig im Nebenerwerb, um ihre Idee am Markt zu testen. Frauen zählen ebenfalls schon seit einigen Jahren verstärkt zu den Existenzgründern, vor allem mit Dienstleistungen im Gesundheitsbereich und Sozialwesen. „Sie wollen häufig flexibel ihre Zeit einteilen, um Job und Familie vereinbaren zu können“, weiß Gläser aus den Gesprächen.

Gründergedanken von klein auf fördern

Kritisch seien vor allem die ersten fünf Jahre nach dem Start. „Hier entscheidet sich meistens, ob das Unternehmen Bestand hat oder nicht“, sagt Gläser. 2015 haben 61 Prozent der im Handelsregister eingetragenen Jungunternehmen diese Hürde gemeistert. Bei den Kleingewerbetreibenden oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts lag die Quote bei 37 Prozent. Gründe für das bessere Abschneiden Ersterer seien vor allem die höheren Anforderungen, die an die Gründung einer Kapitalgesellschaft geknüpft sind.
 
Problematisch ist aus Sicht Gläsers, dass die Selbstständigkeit als Karriereweg weder in Schulen noch in Hochschulen verankert sei. Deshalb plant die IHK Trier das neue Projekt „Schüler heute – Existenzgründer morgen“ mit Vorträgen in Klassen. Außerdem ist in diesem Jahr die neue Reihe „Profis helfen jungen Unternehmen“ mit Informationen unter anderem zu Finanzierung, Marketing und Unternehmenswachstum gestartet, und zum IHK-Gründertag kamen alle wichtigen regionalen Ansprechpartner zur Selbstständigkeit zusammen. Grundlegende Unterstützung bieten die regelmäßigen Infoabende und Seminare für Existenzgründer (siehe Kasten).
Und welche Gründer haben nun am Ende Erfolg? „Die, die sich von anderen abheben, ihr Konzept – auch kaufmännisch – genau durchdacht haben, gut vorbereitet und motiviert sind“, sagt Gläser.

Größter Unverpackt-Laden Deutschlands

Sebastian Würth und Stephanie Lampe zum Beispiel. Ein aktuelleres Beispiel für ein Konzept aus einem Guss als „Unverpackt Trier“ gibt es wahrscheinlich nicht. Der Laden ist grün, von Kopf bis Fuß. Ja, zum einen die Optik, von der Ladendecke bis zum Logo. Vor allem aber der Leitgedanke: ein umweltbewusstes Konsumverhalten. Würth und Lampe verkaufen in ihrem Laden in der Paulinstraße in Trier nur Produkte ohne Einwegverpackung, um Müll zu vermeiden.

Der Saarländer (22) und die Berlinerin (34) sind zwar nicht die ersten, die sich mit diesem Konzept auf den Markt wagen, aber mit ihren 140 Quadratmetern auf Anhieb der größte Unverpackt-Laden Deutschlands. „Und wir heben uns von den anderen ab, weil wir keine Art Tante-Emma-Laden sein wollen, sondern chic, frech und modern“, erklärt Lampe.
  
Dank des guten Marketingkonzepts war das Geschäft schon lange vor der Eröffnung Ende April in aller Munde. Mehr als 4500 Facebook-Fans, unzählige Mails, Posts und Anrufe – alle wollten wissen, wie’s funktioniert. Und zwar so: Die Kunden bringen ihre Gläser, Flaschen, Plastikboxen et cetera selbst mit und füllen sie mit der Menge an Mehl, Milch und Müsli, die sie benötigen. Diese sind wiederum zum größten Teil in durchsichtigen Schüttbehältern abgefüllt, so dass es im wahrsten Sinne des Wortes keine Mogelverpackung gibt. „Jeder sieht, was er bekommt – ohne Werbung und Schnickschnack, die er sonst mitbezahlt“, sagt Lampe.
 
Und natürlich ist fast alles bio und regional. Auf ein offizielles Bio-Siegel verzichten sie aber, da die Zertifizierung der umgefüllten Waren zu teuer und aufwendig sei, so Würth. Wo immer es möglich ist, arbeiten sie mit Produzenten aus der Region zusammen, also zum Beispiel mit Bauernhöfen, Bäckern und Metzgern. Mehl, Öl und Mozzarella stellen sie selbst her.

Hier sind Querdenker gefragt

Sogar die Ladeneinrichtung ist handgemacht. Alles haben sie in Eigenleistung, teils mit Hilfe eines befreundeten Schreiners, renoviert und Verkaufsstände, Tische, Regale und so weiter aus Brettern gefertigt. Schließlich muss ausreichend Platz sein für die mehr als 500 Produkte im Sortiment von „Unverpackt“. Selbst Waschmittel können sich die Kunden abfüllen, und Zahnpasta gibt’s in Tablettenform.
 
Kaum zu glauben, dass die beiden Gründer erst im November 2015 die Idee dazu hatten. Würth ist ausgebildeter Einzelhandelskaufmann, musste sein duales Studium aber wegen Konflikten mit seinem damaligen Arbeitgeber abbrechen. „Er ist eben ein Querdenker, das ist nicht überall gern gesehen“, erzählt Lampe. Sie selbst hat in vielen verschiedenen Bereichen gejobbt, wollte aber schon immer ihr eigenes Ding machen. Da kam die Selbstständigkeit wie gerufen.
 
Dank seiner Studienerfahrung in Betriebswirtschaft war Würth mit dem Erstellen von Businessplänen zwar vertraut; „die Gespräche mit der Bank haben uns dennoch Zeit und Kraft gekostet“. Deshalb entschieden sie sich für Crowdfunding, warben also im Internet für ihre Idee und um Unterstützer. 28 000 Euro bekamen sie so an Startkapital zusammen, teils als Spenden, teils gegen Gutscheine. So würden sie es auch anderen Existenzgründern empfehlen: „Wenn du eine gute Idee hast, und du kennst den Weg von A nach B, dann starte ein Crowdfunding und eine Aktion auf Facebook, um zu schauen, ob die Leute das wollen“, sagt Lampe. „Ohnehin sollte man mit so vielen Menschen darüber reden, wie möglich, damit man das Konzept soweit ausarbeiten kann, bis es passt.“ Das Crowdfunding bringe am Ende nicht nur das nötige Geld, sondern auch Motivation.
Und so gerne die beiden auch selbst Hand anlegen – für spezielle Dinge solle man lieber Hilfe in Anspruch nehmen, damit am Ende alles professionell läuft und sich der Gründer nicht verzettelt, sagt das Duo. „Man braucht mindestens einen kreativen Kopf und einen für die Zahlen.“ Und dann heiße es eben: Machen!

Appetit auf mehr: Blocschokolade
 
Wie süß der Erfolg für die Macher am Ende sein kann, wissen Sara Weichel und Rudolf Pull, deren Betriebseröffnung fast genau ein Jahr zurückliegt. Die besondere Würze ihrer Geschäftsidee liegt in der Kombination von Handwerk, Verkauf und Sport – genauer: einer Boulderhalle mit einer Schaubackstube.

Wer die Tür zu „Blocschokolade“ in der Ruwerer Straße öffnet, betritt eine riesige Halle mit Kletterwänden, deren Boden mit dicken Matten ausgelegt ist. Schnell schweift der Blick nach links. Zur Kuchentheke. Dass alles, was hier auf den Tisch kommt, frisch und handgemacht ist, beweist der gläserne Raum am Ende der Halle. Hier können Hobbybäcker den Experten auf die Finger schauen.

Ein schöner Treffpunkt für alle: Die Sportler können sich nach oder während des Kletterns mit White Chocolate Cheesecake oder dem „Marzipanklaus“ stärken, Cafébesucher ihnen wiederum beim Klettern ohne Seil zuschauen oder eben das Geschehen in der Backstube beobachten. Vor allem aber, und damit zum Ursprung der Geschäftsidee, ist es für die beiden Gründer der ideale Ort. Weichel (35) und Pull (33) sind nämlich ebenso leidenschaftliche Konditoren wie Boulderer.
 
Vor ihrer Existenzgründung haben sie in Berlin gelebt und waren dort fest angestellt. Da beide Konditormeister sind, lag es nahe, sich gemeinsam selbstständig zu machen – „aber das ist heute sehr schwer“, sagt Weichel. Außerdem wäre da für ihr Hobby kaum noch Zeit geblieben. Sich allein mit einer Boulderhalle selbstständig zu machen, kam für sie aber nicht in Frage, „schließlich wollen wir unser Potenzial nicht verschenken“, erklärt Pull. Die Idee zu Blocschokolade war geboren.
 
Da Bouldern zwar ein Trendsport ist, es in Trier aber noch kein solches Angebot gab, entschieden sich die gebürtige Stuttgarterin und der Traben-Trarbacher für die Moselstadt; auch die Halle war schnell gefunden. Die Existenzgründungsberater der IHK gingen zusammen mit ihnen den Businessplan und weitere Finanzierungsfragen durch. Die anschließenden Gespräche mit Behörden und Banken aber zögerten sich  hinaus, berichten sie. Da es schwer gewesen sei, die Geldgeber von der Geschäftsidee zu überzeugen, gründeten sie schließlich eine KG, setzten also auf mehrere Teilhaber. Eine Zeit voller Hochs und Tiefs, die gewiss nicht einfach war, wie sie heute sagen. Aber sie hielten durch.

Langsam und gesund wachsen
Vom ersten Besichtigungstermin bis zur Unterzeichnung des Mietvertrags verging so ein halbes Jahr. Und auch sie bewiesen sich als Allrounder und richteten die Halle bis auf Heizung und Wände komplett selbst her; ist Weichel doch ursprünglich Architektin und Pull Energie-Elektroniker. Im Mai 2015 folgte die Eröffnung. „Und niemand hat geglaubt, dass wir es in der kurzen Zeit schaffen“, sagt Pull stolz – auch dank der Unterstützung von Freunden, Familie und kooperativen Betrieben.
 
Mit der Resonanz sind sie sehr zufrieden: „Schon jetzt könnten wir viel mehr machen“, erzählt Weichel – mehr Kurse, noch mehr Kindergeburtstage, Tortenauslieferungen. „Aber wir wollen langsam wachsen und nicht gleich viele zusätzliche Mitarbeiter einstellen, sondern selbst im Tagesgeschäft mitarbeiten.“

Deshalb gibt es auch keine Serienanfertigung. „Wir haben bisher noch keine Torte, mit der wir beauftragt wurden, zweimal gebacken“, sagt Pull. Jede ist eine Extra-Anfertigung mit individueller Deko, alles aus frischen, saisonalen Rohstoffen, ohne künstliche Geschmacksstoffe und Fertigprodukte. „Wir können unseren Job jetzt viel mehr genießen, weil wir uns jeden Tag neu überlegen, was wir backen möchten. Das ist ein Genuss.“

Gründer müssen für ihre Idee brennen

Was Existenzgründer aus ihrer Sicht mitbringen müssen: Ausdauer und Hartnäckigkeit, kaufmännische Fähigkeiten und eine große Portion Realismus, aber eben auch Idealismus. „Man muss für seine Ideen brennen, weil man viele Menschen davon überzeugen muss“, sagt Weichel. Wie die Gründer von „Unverpackt Trier“ rät sie dazu, mit vielen über seine Ideen zu sprechen und sich mit ihren kritischen Fragen auseinanderzusetzen. Auch sei es wichtig, gute Fachleute aus dem Umfeld zu Rate zu ziehen.

In die gleiche Kerbe schlägt Megerle. „Man sollte sich darauf spezialisieren, was man wirklich zu 100 Prozent kann und wofür man brennt.“ In diesem Kernbereich solle man sich auf sich selbst verlassen. „Andere werden nie die gleiche Leidenschaft für das Projekt aufbringen wie du selbst.“ Für alles Weitere sollten sich Gründer Hilfe beispielsweise bei einem guten Steuerberater suchen, anstatt zu behaupten, von A bis Z alles zu können.
Scheitern gehöre dazu. „Deshalb ist Durchhaltevermögen absolut nötig, man darf sich nicht deprimieren lassen.“ Am Ende gehe es um Aufopferung und die Leidenschaft, sich von Projekt zu Projekt nochmals zu steigern. „Daraus sind ja auch Arbeitsplätze für andere Menschen entstanden, das ist einfach schön. Und jeden Tag verwirklichen wir unsere Träume und Ideen.“

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